Rezension von ›El esqueleto de la señora Morales‹ (Rogelio A. González, 1960)

Die Geschichte des Filmes basiert auf einer Kurzgeschichte von Arthur Machen, die 1927 geschrieben wurde: The Islington Mystery. Das Skelett der Señora Morales. Amparo Rivelles überzeugt hier entschieden mit ihrer ambivalenten Darstellung der Señora Morales, der Frau des Tierpräparators Dr. Morales, gespielt von Arturo de Cordova. Sie, eine Hysterikerin, die sich immerfort auf ihr verknöchertes Knie beruft und sich als Krüppel darstellt, legt ihr Leid der ganzen Nachbarschaft und Gemeinde offen und wird so vor allem im engeren geistlichen Kreis um den Padre (Antonio Bravo) bemitleidet und in Schutz genommen. In ihrem aggressiven Leiden steht sie zu Beginn ihrem gutmütigen und geselligen Mann kontrastreich entgegen, es wirkt, als würde er es gar nicht mitbekommen, dass sie in der hysterischen Position ist, die wohl auch durch ein nahes (die Erotik tritt nur über den Fleischkonsum zutage) und wohlwollendes Verhältnis des Dr. Morales zum Dienstmädchen durch Eifersucht befeuert wird. Wie es die Geschichte so will, dreht sich die aggressive Position um, und Dr. Morales begehrt seine Frau, sie verwehrt es ihm, schlussendlich vergiftet er sie, nachdem sie ihn einer Meuterei durch die Familie und Kirchengemeinde aufgrund vorgetäuschter häuslicher Gewalt aussetzen wollte. Das Ganze endet in einem Gerichtsverfahren, wo sich der Padre besonders als Befürworter einer Verurteilung ausspricht, obwohl die offenkundige Beweislast zugunsten des Dr. Morales liegt. Das Verfahren begann aufgrund der Entdeckung des präparierten Skeletts der Frau Morales (erkennbar am verknöcherten Knie) durch den Padre. Dr. Morales legt es auch gefinkelt an, da er das Begehren des Padres auf seine Frau gegen diesen und die Anschuldigung des Mordes durch diesen für sich auslegt. Die interessanteste Wendung passiert nicht am Ende, wo noch die Flasche strenger Haus-Alkohol der Frau unter den Gästen verteilt wird, die zur Vergiftung der Frau hergehalten hat und nun auch Dr. Morales umbringt – sondern beim nachgerichtlichen Besuch des Dr. Morales beim Padre. Dr. Morales kommt zur Beichte, zum ohnehin schon aufgebrachten Padre. Er bestätigt ihm knieend alle Vermutungen, die der Padre hatte – er hat seine Frau ermordet, er war richtig in diesem und jenem Misstrauen gegenüber der Geschichte. Der Padre war so schon immer Träger der Wahrheit, in dieser Position wird er nun – entgegen gerichtlichem Kontrapunkt – von Dr. Morales bestätigt. Doch kann ein Gerichtsverfahren nicht zweimal gegen ihn geführt werden, noch ist er aufgrund der Beichte zur Verschwiegenheit verpflichtet: Wahrheit ist, wenn es keiner weiß. So wird der Padre nicht qua Glauben in die Position des Wissens gebracht, sondern durch den Ungläubigen, der immerzu im Film die Gebote moralisch gegen den Padre auslegt. Anders als mit der Wahrheit durch Glauben, ist es dem Padre nicht möglich, diese Wahrheit zu teilen, und so wird er zugleich in seiner ureigenen Funktion als Pfarrer untergraben – ein Konflikt der Professionen (wird doch Dr. Morales vom Padre als unmoralisch bezichtigt aufgrund der Arbeit als Präparator). Schlussendlich arbeiten sie beide mit den Toten, der eine will sie zum Leben erwecken, der andere macht keinen Hehl aus dem Tod. Es ist ein Detail, das der Historiker selbst abbildet, indem er nie sein Wort zu Ende sprechen darf in sämtlichen Dialogen des Films.